15.05.25, 07:30 bis 17.05.25, 12:15

Nachdem ich, nicht ganz unerwartet, in Frankfurt meinen Anschlusszug Richtung Eisenach verpasst hatte, kam ich am Mittwoch, den 14.5., gegen 14:30 im Hotel an. Danach ging es in die Altstadt, um noch etwas Proviant für die Wanderung und das Abendessen einzukaufen.

Anders als in den beiden Vorjahren hatte ich keine konkreten Pläne für eine Besichtigung vorbereitet. Mehr zufällig langte ich am Marktplatz an und beschloss, mir die imposante Georgenkirche genauer anzuschauen.

Georgenkirche am Marktplatz

Da ziemlich unvorbereitet, kam es mir sehr zugute, dass gerade eine Führung begann, der ich mich unauffällig anschließen konnte. So erfuhr ich, dass hier bereits Johann Sebastian Bach seine Taufe erhielt. Interessant auch die Geschichte der sogenannten Emporensprüche, die ein auffälliges Merkmal dieser Kirche darstellen.

Emporensprüche in der Georgenkirche

Während der Nazi-Zeit wurden etliche entfernt, weil sie aufgrund ihres alttestamentarischen Ursprungs zu sehr auf die jüdischen Wurzeln des Christentums hinwiesen. Erst in jüngerer Zeit werden diese Tafeln durch moderne Replika ersetzt.

Nach einer leider sehr unruhigen Nacht machte ich mich wie gewohnt auf den Weg zum Bahnhof, um Richtung Bebra nach Hörschel zu fahren. Dort immer wieder eindrucksvoll der Blick auf die Autobahnhochbrücke im Hintergrund des eher unauffälligen Rennsteig-Beginns.

Autobahnhochbrücke am Rennsteig-Beginn

Schnell noch einen Kiesel eingesteckt, um ihn traditionsgemäß in Blankenstein in den Saale-Zufluss der Selbitz zu werfen, dann ging es los.Die Wettervorhersage war günstig: eher frische Temperaturen, etwas Wind und trockene Witterung sollten zumindest bis Freitagabend vorherrschen. Von den ersten Anhöhen bot sich der Blick zurück auf die Werra-Niederung.

Werra-Niederung

Die ersten Streckenkilometer stimmten auf die folgenden Anstrengungen ein. Der Weg führt hier durch schöne Laubwälder. Kaum ist eine Steigung erklommen, geht es wieder bergab und durchaus gefühlt gehen wieder einige Höhenmeter verloren. Immer wieder haben Wanderer unterwegs durchgelaufene Schuhe als Zusatzmarkierungen neben dem signifikanten „R“ angebracht.

Wanderschuhe und Rennsteinmarkierung

Dann eine böse Überraschung: der Imbiss „Hohe Sonne“ nach knapp 15 Streckenkilometern existierte nicht mehr! Dort hatte ich regelmäßig Kaffee und Kola getrunken und meine Wasserflaschen aufgefüllt. Ein WC am nahen Autoparkplatz kostete zwar einen Euro Benutzungsgebühr, verfügte aber nicht über einen Wasseranschluss. Da ich zuvor nicht am Wasser gespart hatte, musste ich jetzt darauf hoffen, dass zwei Quellen auf den nächsten Streckenkilometern noch Wasser führten. Später im Jahr fallen sie oft trocken. Doch diesmal hatte ich Glück. Wie mir ein Forstmitarbeiter erklärte, wird zumindest eine Quelle von der Wartburg her gespeist. Gibt es dort erhöhten Bedarf, hat man am Rennsteig das Nachsehen. Auch die zweite Quelle ein paar Kilometer weiter gab noch Wasser, so dass ich mit gefüllten Flaschen weiterlaufen konnte.

Quelle am Wegesrand

Nachdem ich zwei Jahre zuvor meine Rennsteig-Wanderung nach fast hundert Kilometern aufgrund starker Schmerzen, mutmaßlich infolge Mineralsatzmangel, abbrechen musste, gab ich jetzt immer drei Brausetabletten in jeden Liter Wasser, besonders um die Magnesium-Speicher aufzufüllen.

Mehr als in den vergangenen Jahren fiel mir positiv auf, wie um die toten Nadelwaldbäume herum auf diesem Wegabschnitt junge Laubbäume gedeihen, zum Teil durch Zäune vor Wildverbiss geschützt.

Junger Laubwald

So investierte ich gerne einige Minuten, um der Aufforderung an Wanderer nachzukommen, frische Setzlinge zu wässern. Zu diesem Zweck waren Wasserbehälter und Gießkannen bereitgestellt. Man sah den kleinen Pflanzen den Einfluss der vergangenen Wochen ohne ausreichenden Niederschlag deutlich an.

Bewässerung von Setzlingen

Wenig später eine positive Überraschung: anders als in den Vorjahren war der Imbiss „Schillerbuche“ auch Donnerstags geöffnet. Gelegenheit, mit etwas Verspätung Kaffee und Kola zu bestellen! Der neue Pächter erzählte mir, dass er versuchsweise jetzt vier Wochentage Getränke und kleine Speisen anbietet – ich wünschte ihm viel Erfolg, denn direkt auf dem Rennsteig gibt es leider nur eine überschaubare Anzahl von Verpflegungsmöglichkeiten, besonders wenn man nicht am Wochenende unterwegs ist.

Dann der wie immer schweißtreibende Aufstieg zum „Großen Inselsberg“. Diesmal wollte ich nicht bereits so frühzeitig eine Packung Energy-Gel konsumieren und beließ es bei zwei kleinen „Powergel Shots“, was aber auch genügte. Auf dem Berg selbst dann die übliche Kuchenmahlzeit, bevor es weiterging.

Auf dem Inselsberg

Es folgten einige recht lange Ab- und Aufstiege bevor ich auf vom „Großen Jagdberg“ auf dem Inselsberg zurückblicken konnte.

Blick zurück zum Inselsberg

Nun würden etliche Kilometer recht ausgeglichenen Terrains fast ein wenig Erholung bieten, bis der lange Anstieg zum „Sperrhügel“ noch einmal vollen Einsatz verlangt. Am Rastplatz „Neue Auspanne“ konnte ich wieder meine Trinkvorräte ergänzen. Ein Schild warnt vor Abgabe an Kleinkinder, aber ich hatte nie Probleme mit der Wasserqualität und es würden noch mehr als dreißig Streckenkilometer folgen, bis ich neue Getränke erwerben konnte.

Psychologisch nicht ganz unwichtig, erreichte ich die Hütte auf der Höhe des „Sperrhügels“ noch vor Anbruch der Dunkelheit. Ich aß etwas, setzte die Stirnlampe auf und es begann die erste Wandernacht. Traditionell machte ich eine längere Liegepause in der Schutzhütte am „Grenzadler“. Die Temperaturen sackten fast auf den Gefrierpunkt ab und ich war froh, eine wärmende Weste zusätzlich zu Funktionspulli und Regenjacke eingepackt zu haben.

Offenbar waren die Bauarbeiten auf dem Wegschnitt bis zum „Rondell“ beendet und aufgrund der andauernden Trockenheit erschwerte auch kaum Nebel die Orientierung. Der Aufstieg zum „Großen Beerberg“ als höchstem Punkt der Wanderung erfolgt über Wege mit viel Geröll. Bei schlechter Sicht ist es eine Herausforderung, gleichzeitig die Wegmarkierungen an den Bäumen und den unebenen Untergrund im Blick zu behalten. Mehr als einmal hatte ich mir in der Vergangenheit böse Blutergüsse an der Zehen eingehandelt, weil ich gegen größere Gesteinsbrocken stieß. Nun aber eine fast sternenklare Nacht und der eindrucksvolle Blick auf das nächtliche Suhl vom gipfelnahen Aussichtspunkt.

Suhl bei Nacht

Es begann der bekannte, lange Kampf gegen Müdigkeit bei etwas unattraktiver Wegführung, bis dann Neustadt erreicht war. Zwar konnte ich dort wie geplant meine Vorräte ergänzen, aber trotz eines starken Kaffees machte sich der Einfluss von nunmehr zwei fast schlaflosen Nächten bemerkbar. Ich meinte auch ein gewisses Trainingsdefizit bei den folgenden Steilaufstiegen etwa kurz vor Masserberg festzustellen. Mein Training hatte ich doch sehr stark an den Erfordernissen der 100 Kilometer von Biel orientiert. Also mich intensiv auf Flachstrecken ohne große Höhendifferenzen konzentriert und zu wenig echte Bergwanderungen unternommen. Jetzt musste ich wiedermal Lehrgeld zahlen und verlor durch längere Ruhepausen mehr und mehr Zeit.

Stausee bei Limbach

So war es schon recht spät, als ich Neuhaus verließ und mich in die zweite Wandernacht aufmachte. Undenkbar, wie im vergangenen Jahr noch bei Tageslicht Spechtsbrunn zu erreichen! Zusehens verfinsterte sich dann der Himmel und es setzte starker Regen ein. Infolge Seitenwind wurden trotz Wanderschirm meine Beine durchnässt und ich beschloss, das Schlimmste abzuwarten. Als der Regen dann nachließ, erreichte ich die Kammlage beim „Frankenwaldblick“.

Frankenwaldblick im Regen

Jetzt wurde es schnell dunkel. Die von mir gefürchteten sieben Kilometer entlang der „Frankenwald-Hochstraße“ konnte ich dann aber wieder im Trockenen in Angriff nehmen. In der jetzt dritten Nacht ohne echten Schlaf entspannten sich langwierige Diskussionen mit virtuellen Begleitern, die mir suggerierten, die quälende Wegstrecke doch irgendwie abzukürzen. Endlich konnte ich sie und mich überzeugen, dass eine Abkürzung wenig Sinn macht, wenn der weitere Verlauf des Rennsteigs darauf keine Rücksicht nimmt.

Zumindest konnte ich schließlich ausgangs von Steinbach nach kurzer Suche die überdachte Bank finden, auf der ich meine zweite Liegepause verbringen wollte. Da die Bank nicht gegen Seitenwind geschützt ist, wurde es noch kälter als eine Nacht zuvor. Zitternd nahm ich vorfristig meine Wanderung wieder auf.

Aufgrund einer sehr schlechten Ausschilderung verpasste ich später eine Abzweigung und gelangte erst nach Standortfeststellung über Handy und langem Umweg zur „Kurfürstensteinhütte“, wo ich bereits in der Dämmerung den ehemaligen Kolonnenweg querte und mich dann wieder in Thüringen befand.

Kolonnenweg vor Brennersgrün

Aber der kommende Tag versprach wieder schöneres Wetter und im Licht der aufgehenden Sonne zeigte sich die Landschaft von der besten Seite.

Landschaft bei Sonnenaufgang

Bei Grumbach dann der Blick über wogende Getreidefelder in die Ferne und das Gefühl, bald am Ziel zu sein.

Getreidefelder bei Grumbach

Letzte Reserven mussten mobilisiert werden und ich griff jetzt wieder zu Energy-Gel. Dann kurz vor dem Ziel, gerade noch außerhalb von Blankenstein, eine kleine Unaufmerksamkeit. Trotz entsprechender Warnschilder hatte ich zu wenig auf den unregelmäßigen Asphaltbelag am Randstreifen der Straße geachtet, rutschte ab und schlug mit dem Kinn zuerst auf, nur wenig gebremst durch eine zu spät erfolgende Abstützung mit dem rechten Arm. Eine böse Platzwunde blutete stark, aber zumindest schien nichts gebrochen und auch die Brille war unbeschädigt geblieben.

Einige Reiterinnen hatten von einer nahen Koppel meinen Sturz beobachtet und boten sich an, mir zu helfen. Auf dem benachbarten Hof konnte ich mir das Blut abwaschen und mir wurde eine erste Wundversorgung zuteil. Mit einiger Verspätung nahm ich meinen Weg vorsichtig wieder auf und erreichte dann ohne weitere Zwischenfälle mein Ziel.

Am Ziel

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